Im Oktober besuchte die Bundesverteidigungsministerin Kramp Karrenbauer die Truppe in Mali. Der Besuch der Ministerin wurde von dem Unmut der dort stationierten Bundeswehr-Soldaten flankiert.

Kramp-Karrenbauer plädiert für mehr Auslandseinsätze

Trotz der gefährlichen Ausgangslage vor Ort, plädierte Kramp Karrenbauer nach ihrem damaligen Besuch und auch dieser Tage wieder für ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in der Region und an anderen Brennpunkten der Welt. Bei ihrem gestrigen Besuch der Luftlandebrigade 1 im saarländischen Saarlouis äußerte sie: "Wir wären auch heute in der Lage, auch zusätzliche Auslandseinsätze zu übernehmen.“ Weiter hieß es -  Die Bundeswehr werde aber «realistischerweise» bis 2031 brauchen, um zehn Prozent der militärischen Fähigkeiten der Nato zu übernehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll nach früheren Äußerungen der Ministerin der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt auch die von der Nato angepeilten zwei Prozent erreicht haben.

Die Bundesverteidigungsministerin arbeitet an der Verschlechterung des Verhältnisses zu Paris

Trotz ihrer saarländischen Heimat, der damit quasi in die Wiege gelegten Nähe zu Frankreich, scheint AKK nichts von der Analyse des französischen Präsidenten Macrons über den Zustand der NATO zu halten. Sie folgt hier der Linie der Bundeskanzlerin und arbeitet an der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Paris und Berlin.

Mali-Konflikt hängt mit dem Sturz von Gaddafi zusammen

Der aktuelle Konflikt in Mali begann im Januar 2012 und hängt unmittelbar mit dem von der NATO inszenierten Sturz und der Ermordung von Muammar al Gaddafi in Libyen zusammen. Diese Zusammenhänge werden gerne in den Statements von Kramp Karrenbauer und anderer Politiker verschleiert, weil sie das kolossale Scheitern eines strategischen Entwurfes darstellen mit höchst gefährlichen Folgen. Damals begannen aus Libyen zurückgekehrte Tuareg-Söldner, die sich zuvor in den Diensten Gaddafis befanden, als Folge der Rebellion über die Grenzen zurück in ihre Heimatländer zu strömen. An diesem Tag griffen die Tuareg-Söldner der neugegründeten Tuareg- Organisation MNLA (Nationale Bewegung für die Freiheit von AZAWAD) die Armee Malis im Norden des Landes an, wodurch die vierte Tuareg-Rebellion, nach 1962-1964 / 1990-1995, sowie 2002-2007 begann. Der Konflikt, der Kampf der Tuareg um Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der malischen Zentralregierung in Bamako, ist also schon viele Jahrzehnte alt, fand aber zuvor ohne Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit statt, gewann durch den Sturz Gaddafis eine neue Brisanz. Von Anfang an erhielt die MNLA dabei Unterstützung von drei islamistischen Gruppierungen, die sich aus internationalen Kämpfern zusammensetzen, unter anderem der Gruppe Ansar Dine (Gefährten der Religion), oder jene relativ kleinen Gruppen, die sich den ominösen Namen AQIM (Al-Quida des islamischen Maghreb) zugelegt hatten.

Der schnelle Vormarsch der MNLA und ihrer Verbündeten im Norden Malis wurde durch die Tatsache begünstigt, dass die aus Libyen zurückgekehrten Tuareg, wo sie als ehemalige Kämpfer Gaddafis einer blutigen Verfolgung ausgesetzt waren, die dort auf alle Menschen mit dunklerer Hautfarbe übergriff, auch hochwertiges Waffenmaterial mitführten, welches aus den Rüstungsschmieden des Westens stammte und mit dem das Gaddafi-Regime zuvor überschüttet wurde, wie heute Saudi-Arabien.

Der Siegeszug der MLA wurde auch durch den innenpolitischen Verfall der Regierung Malis begünstigt. Am 22. März 2012 stürzten einfache Soldaten die Regierung in Bamako - mit ausdrücklicher Unterstützung breiter Bevölkerungsteile. Kurze Zeit später, am 6. April, nachdem die MNLA den gesamten Norden des Landes erobert hatte, wurde die unabhängige Republik "Azawad" ausgerufen.

Die Warnung Peter Scholl-Latours

Peter Scholl-Latour äußerte damals mir gegenüber in einem Interview: "Die Franzosen sollten sich so schnell wie möglich aus Mali zurückziehen!" "Die Franzosen sollten sich so schnell wie möglich aus Mali zurückziehen"

Der Westen verursachte die Probleme, die er jetzt bekämpft.

Allerdings stehen die Truppen Franckreichs heute immer noch dort, ebenso wie die Bundeswehr. Inzwischen ist die gesamte Sahelzone, der breite Steppengürtel südlich der Sahara, die sich von Somalia im Osten zum Senegal im Westen erstreckt, von einem islamistischen Aufbegehren erfasst worden. Finanziert und inspiriert von einflussreichen Kreisen in den reaktionären Golf-Monarchien – unter Führung Saudi-Arabiens -überrollen Fanatiker die lokalen Muslime, fegen ihre religiösen Traditionen hinweg, insbesondere die der Mystiker und Sufi-Orden.

Der Westen unter Führung der NATO hat also die Probleme selbst geschaffen, A - durch den Sturz Gaddafis, B - durch die Aufrüstung Saudi-Arabiens, unter denen zu allererst die Menschen vor Ort zu leiden haben und die permanent Flüchtlingsströme produzieren.

Die Sache erscheint noch schmutziger, erinnert - was die Liquidierung Gaddafis angeht - an eine Abrechnung im Mafia-Milieu, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass der ehemalige französische Präsident  Sarkozy 2018 zu Vorwürfen vernommen wurde, wonach seine Wahlkampagne 2007 illegal mit libyschen Geldern finanziert wurde.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Sicherlich ist es begrüßenswert, wenn Paris und Berlin eine gemeinsame Verteidigungspolitik konzipieren, ohne der Vorherrschaft Washingtons. Militärische Interventionen aus dem Ausland aber sind von zweifelhaftem Erfolg. Sie hebeln das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates aus, verschlimmern nicht selten die Menschenrechtssituation statt sie zu verbessern und vor allem gelingt es ihnen, nicht die Lage in einer Krisenregion dauerhaft zu stabilisieren. Mit einer Bundesverteidigungsministerin, die stattdessen die bisherige verfehlte Politik fortzusetzen gedenkt, ist die notwendige Umkehr aber nicht möglich.

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